Presseschau
In der Wabe-Suchthilfe in Medewitzerhütten finden Frauen und Männer Unterstützung, um ein Leben ohne Alkohol, Drogen und Spielsucht meistern zu können.
Medewitzerhütten. Vom Jagdschloss über ein Ferienheim zur Stätte für Suchtabhängige: Das Schlösschen in Medewitzerhütten hat schon manches erlebt.
Seit 1992 hat die Wabe dort ihr Domizil – eine sozialtherapeutische Einrichtung für Suchtkranke. Menschen wie Friedrich, der seit zwei Jahren an seiner eigenen Wabe werkelt – einem Nachbau des Jagdschlosses. Friedrich heißt anders und möchte seinen Namen nicht veröffentlichen. Er ist schwerstalkoholabhängig und kam aus Berlin nach Medewitzerhütten 2018 zum ersten Mal.
„Etwas zu tun zu haben, ist das Wichtigste“, sagt der 61-Jährige und erzählt von seinen Aufgaben in der Küche und im Holzbereich. In beiden Bereichen arbeitet er gern, am Holzbereich aber hängt sein Herz. Auf dem Weg dorthin schiebt er hinterher, dass er von Medewitzerhütten nicht mehr weg will. „Das hier, das ist meine Burg“, versucht er zu erklären. Eine Burg, die ihm auch durch die Lage mitten im Wald Schutz und Sicherheit gibt. Dann erzählt Friedrich aus seinen Leben. Von der Arbeit im Schaustellerbereich, wo immer viel los war, von seiner Scheidung und davon, wie sich seine Kinder von ihm abwandten. Er war in einem Kinderheim aufgewachsen, seine Mutter war alkoholabhängig. Zweimal hat Friedrich die Suchthilfeeinrichtung bereits verlassen können. Einmal zog er in die ambulante Betreuung der Wabe, das nächste Mal in eine eigene Wohnung. Beide Male schaffte er es nicht. Er griff wieder zur Flasche. „Jetzt will ich hier nicht mehr weg“, sagt der 61-Jährige – angekommen in der Holzwerkstatt, wo er an seiner Burg baut. „Das Schwierigste waren die Säulen mit ihren Rundungen“, sagt er. Derzeit werkelt er am Mobiliar für die Terrasse des Jagdschlosses. Friedrich gehört zu den Klienten, bei denen die jahrzehntelange Abhängigkeit von Alkohol und/oder Drogen Spuren hinterlassen hat und andere Erkrankungen nach sich zog.
„Diese Gruppe unserer Klienten bleibt meist jahrzehntelang im Haus“, sagt Einrichtungsleiterin Laura Model. Die Altersstruktur der Menschen, die in der Wabe Hilfe suchen, habe sich in den 30 Jahren des Bestehens verändert. Suchten anfangs Alkoholkranke Hilfe, dominieren heute oft Abhängigkeiten von verschiedenen Substanzen – von Alkohol über illegale Drogen bis hin zu Tabletten.
Die Experten unterscheiden in stoffgebundene und stoffungebundene Abhängigkeiten, wozu beispielsweise die Kauf- und die Mediensucht gehören. Damit einhergehend sei das Alter derjenigen, die in Abhängigkeiten geraten sind, gesunken. 26 Menschen können, jeweils in Einzelzimmern wohnend, in der Wabe in Medewitzerhütten leben. Zusätzlich verfügt die Einrichtung über ambulante Betreuungsmöglichkeiten.
Klienten wie Friedrich, bei denen die Sucht Folgeerkrankungen nach sich zog, wohnen meist über Jahrzehnte in der Einrichtung.
Seit 2019 besteht dieses Angebot. Das jüngere Klientel der etwa 20- bis 40-Jährigen, bleibt im Durchschnitt etwa acht Monate im Haus. Laura Model ergänzt, dass die Aufenthalts- dauer sich in dieser Gruppe jedoch extrem unterscheidet – von einem Tag bis zu vier Jahren. Der Grund: Nicht jeder kommt mit der Lage des Hauses und der damit verbundenen Abgeschiedenheit zurecht. „Mir hilft die Abgeschiedenheit“, sagt Susanne, die auch anders heißt. Die 26-Jährige ist drogenabhängig. Mit 14 Jahren nahm sie erstmals Cannabis. Seit sechs Monaten lebt Susanne in der Wabe. Hinter ihr liegen zwei abgebrochene Ausbildungen, eine toxische Beziehung und mehrere Klinikaufenthalte. Susanne willihr Leben wieder in den Griff kriegen. „Ich möchte stufenweise aus der Wabe laufen“, mit dem Wissen, Rückendeckung für den Fall des Falles zu haben. „Die Wabe hier hat mir wieder Hoffnung gemacht, dass ich es schaffen kann.“
21 Mitarbeiter sind im Jagdschloss Medewitzerhütten rund um die Uhr für die Klienten da. Aber auch hier macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar. Dringend gesucht werden Sozialarbeiter. Zeit bezeichnet Laura Model als wichtigsten Fakt, um Abstinenz zu erreichen. „Jeder abstinente Tag ist ein Tag, der die Abstinenz länger sicher machen kann“, sagt die Einrichtungsleiterin.
Wie bei Friedrich und Susanne liegen hinter den meisten Menschen die in der Wabe wohnen, mehrere Klinikaufenthalte. In der Wabe lernen sie, wie das Leben ohne Drogen in der Praxis funktionieren kann. Dabei Hilfe zur Selbsthilfe geben, die im kleinen beginnt und auf den drei Säulen Ruhe, Tagesstruktur und Gemeinschaft basiert. Bei den Tätigkeiten in der Küche, im Gemüsegarten, in der Kreativwerkstatt oder im Holzbereich lernen die Klienten damit für die Zeit nach der Wabe. Friedrich und Susanne bewerten das Angebot der Wabe mit ihren Wohngruppen und den strukturierten Tagesabläufen und Therapieangeboten dabei als hilfreich und für sich persönlich sogar als Glücksfall.